Mi, 26.11.2025
20 Jahre Wirbelsäulenzentrum: Chefarzt Klaus-Eberhard Kirsch über Fortschritte in der Wirbelsäulenchirurgie

Das Wirbelsäulenzentrum der Roland-Klinik feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Herr Kirsch, welche Entwicklungen in der Wirbelsäulenchirurgie stehen für Sie besonders im Mittelpunkt?
An vorderer Stelle stehen für mich die minimalinvasiven und endoskopischen Operationsverfahren. Im Vergleich zu den früher üblichen offenen Operationen, bei denen große Hautschnitte notwendig waren, kommen wir heute mit kleinen bis sehr kleinen Zugängen aus. Das bedeutet weniger Narbenbildung und bessere kosmetische Ergebnisse. Vor allem aber reduziert sich das Risiko für Komplikationen wie Infektionen, Wundheilungsstörungen oder größere Blutverluste deutlich. Durch die schonende Technik wird das umliegende Gewebe – insbesondere Muskulatur – weniger verletzt. Die Patientinnen und Patienten haben dadurch in der Regel weniger Schmerzen nach der Operation, benötigen weniger Schmerzmittel und können schneller mobilisiert werden. Das wiederum verkürzt die Krankenhausaufenthaltsdauer und ermöglicht eine raschere Rückkehr in Alltag oder Beruf.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten technischen Fortschritte der letzten Jahre?
Es gibt eine ganze Reihe von Entwicklungen, die unsere Arbeit heute präziser und sicherer machen. Ein besonders großer Schritt ist der Einsatz von KI-gestützter Software bei der Operationsplanung. Damit können wir Korrekturen bei Fehlstellungen vorab simulieren und individuelle Risiken besser einschätzen.
Ein weiteres zentrales Instrument sind navigationsgestützte Systeme. Diese erlauben uns die millimetergenaue Platzierung von Schrauben und Implantaten – gerade bei komplexen Eingriffen ein enormer Sicherheitsgewinn. Zudem ermöglichen sie es uns, auch schwierige Operationen minimalinvasiv durchzuführen – also schonend, aber mit höchster Präzision.
Spannend ist auch der 3D-Druck. Wir können heute patientenspezifische Implantate oder Bohrschablonen anfertigen lassen – zum Beispiel bei ausgeprägten Fehlstellungen wie Skoliosen. Diese Technik verkürzt die OP-Zeit und sorgt für eine optimale Passform und Stabilität.
Und nicht zuletzt nutzen wir intraoperative 3D-Bildgebung. Das bedeutet: Schon während der Operation haben wir ein genaues Echtzeitbild der anatomischen Verhältnisse und der Implantat-Lage. Das erhöht die Sicherheit zusätzlich und reduziert unnötige Strahlenbelastung – für Patient wie Operateur.
Die Operationstechniken werden immer feiner und sicherer. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?
Eine große Herausforderung liegt im demografischen Wandel. Die Menschen werden älter – das bringt häufiger Osteoporose oder eine allgemein verminderte Knochensubstanz mit sich. Da reicht es nicht, nur operativ „technisch richtig“ vorzugehen. Wir müssen sehr genau abwägen: Wird die Operation tatsächlich zu einer langfristigen Verbesserung der Lebensqualität führen? Ist die gewählte Versorgung stabil genug für die individuelle Knochensituation?
Es geht heute oft darum, den besten Kompromiss zu finden: mit möglichst kleinem Eingriff ein möglichst gutes Ergebnis für die Patientin oder den Patienten zu erzielen – individuell angepasst und vorausschauend geplant.